Musterfeststellungsklage gegen die Daimler AG – Registrierung jetzt möglich

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hat eine Musterfeststellungsklage gegen die Daimler AG beim Oberlandesgericht Stuttgart eingereicht, welche am 03.11.2021 unter dem Aktenzeichen 16a MK 1/21 gemäß § 607 Absatz 1 ZPO öffentlich durch das Bundesamt der Justiz bekannt gemacht worden ist. Damit ist der Weg für einige Betroffene frei, sich verjährungshemmend bei dieser Klage registrieren zu lassen.

Hierbei sind jedoch ein paar Dinge zu beachten:

Zum einen besteht diese Möglichkeit nur für einen Teil der tatsächlich von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) betroffenen Mercedes-Geschädigten. Die VZBV hat die Klage bewusst auf bestimmte Fahrzeugtypen begrenzt, um den Musterprozess nicht zu überfrachten. Obwohl die in der Klage angeprangerten Abschalteinrichtungen auch in anderen Mototypen, wie bspw. dem OM642, und in vielen weiteren Fahrzeugtypen verbaut sind, gilt die Musterfeststellungsklage nur für folgende Fahrzeugmodelle:

GLC 220 d 4Matic (Baujahr 06/2015 – 11/2016)

GLC 250 d 4Matic (Baujahr 06/2015 – 11/2016)

GLK 220 CDI (Baujahr 2012 – 2015)

GLK 220 CDI 4Matic (Baujahr 2012 – 2015)

GLK 220 BlueTec 4Matic (Baujahr 06/2012 – 05/2015)

GLK 250 BlueTec 4Matic (Baujahr 06/2012 – 05/2015)

Die beantragten Feststellungziele umfassen die beiden relevanten Komplexe, nämlich Manipulation des SCR-Abgasreinigungssystems (sog. „Online- und Speichermodus““) und die Manipulation der Abgasrückführung (sog. „Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung“). Ein Gutachter geht in einer von der Tagesschau veröffentlichten Einschätzung sogar von 8 unzulässigen Abschalteinrichtungen aus (https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/dieselskandal-daimler-101.html).

Die Musterfeststellungsklage bietet zwar einige Vorteile:

So kann sich hier jeder Betroffene kostenlos registrieren lassen. Sie ist also für diejenigen interessant, der weder über eine Verkehrsrechtsschutz noch über andere Finanzierungsmöglichkeiten eines individuellen Vorgehens verfügt und kein Kostenrisiko eingehen möchte.

Des Weiteren werden durch die Registrierung die Ansprüche vor der drohenden Verjährung geschützt. Ein großer Teil der Ansprüche im sog. Mercedes-Abgasskandal dürfte nämlich dieses Jahr zum 31.12.2021 verjähren. Die Registrierung ins Klageregister hemmt die Verjährung bis sechs Monate nach Rechtskraft des Feststellungsurteils. Diese Verjährungsproblematik gilt zumindest für die verbindlichen Rückrufe des KBA gegen die Daimler AG vom 23.05.2018 und 03.08.2018. Hier wird sich im Fall der Untätigkeit bis zum 31.12.2021 die Frage stellen, ob den Geschädigten der verbindliche Rückruf des Kraftfahrtbundesamt in 2018 bekannt geworden ist, so dass die Verjährung möglicherweise bereits zum Ablauf des 31.12.2018 beginnen konnte und damit zum 31.12.2021 enden würde.

Allerdings bietet die Musterfeststellungsklage auch Nachteile.

Schon die Anmeldung ist äußerst fehleranfällig und kaum verbrauchertauglich. Ohne dass bereits erkennbar ist, auf welche Aspekte es den angerufenen Mustergerichten ankommen wird, müssen alle relevante Gesichtspunkte in 2.500 Zeichen dargestellt werden. Unterläuft dabei ein Fehler, könnte die Anmeldung unwirksam sein und insbesondere die Verjährung nicht hemmen. Dies ist in der VW-Musterfeststellungsklage zu beobachten gewesen.

Weiterhin muss dem Betroffenen klar sein, dass eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer zu erwarten ist, da die Daimler AG, anders als der Volkswagenkonzern, bis heute nicht einigungsbereit ist.

Selbst wenn die Musterfeststellungsklage in etlichen Jahren Erfolg hat und damit festgestellt wird, dass die Daimler AG wegen der vorgenommenen Abgasmanipulationen an den Dieselfahrzeugen der o.g. GLC- und GLK-Modelle dem Grunde nach zum Schadenersatz verpflichtet ist, wird der Betroffene alleine durch die Anmeldung zu dem Verfahren kein Geld bekommen. Vielmehr muss er dann seine Ansprüche weiterhin individuell einklagen. Bis dahin wird der individuelle Schadenersatzanspruch des einzelnen Verbrauchers jedoch infolge der weiteren von ihm gefahrenen Kilometer nahezu aufgezehrt sein.

Wenn der Betroffene im Laufe des langandauernden Musterfeststellungsverfahren das Fahrzeug veräußert oder infolge eines Unfalls verschrotten lässt, könnte er im Zweifel in dem dann vielleicht in fünf bis sieben Jahren individuell zu führenden Verfahren den anzurechnenden Wert des Fahrzeugs möglicherweise nicht mehr beweisen, sodass der individuelle Schadenersatzprozess dann auch verloren gehen kann.

Zudem löst die bloße Anmeldung zu dem Musterfeststellungsverfahren auch keine Verzugszinsen aus, die die weitere Nutzung des Dieselfahrzeugs eventuell kompensieren könnte.

Angesichts dessen erscheint uns ein individuelles Vorgehen klar empfehlenswert. Hier lassen sich Erfolge erfahrungsgemäß in überschaubarer Zeit und effektiv erzielen. So liegen derzeit etliche Einzelklagen, die sich mit der vom Verbraucherverband beim OLG Stuttgart eingereichten Problematik befassen, bereits beim Bundesgerichtshof (BGH). Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass die Musterfeststellungsklage vorher höchstrichterlich entschieden wird.

Insgesamt sind die folgenden Fahrzeuge der Daimler AG von den beiden genannten Rückrufkomplexen betroffen:

Modellbezeichnung Hubraum Leistung in kW Motortyp
GLE250 d 4MATIC 2143 150 OM651
C 180 BlueTEC, C 180d, 1598 85 OM 626
C 200 BlueTEC, C 200d 1598 100 OM 626
GLE250 d 4MATIC 2143 150 OM651
C 300 BlueTEC Hybrid, C 300 h 2143 150 OM651
C 300 BlueTEC Hybrid, C 300 h 2143 150 OM651
E 250 CDI 4MATIC 2143 150 OM651
E 350 BlueTEC, E 350 d 2987 185, 190 OM 642
G 350 d 2987 180 OM 642
GLC 220 d 4MATIC, 2143 125 OM 651
GLC 250 d 4MATIC 2143 120, 150 OM 651
GLE 250 d 2143 150 OM 651
GLE 350d 4MATIC, 2987 190 OM642 NAG3
GLS 350d 4MATIC 2987 190 OM642 NAG3
GLK 200 CDI 2143 100 OM 651
GLK 220 CDI 2143 105 OM 651
GLK 220 CDI 4MATIC 2143 125 OM 651
GLK 220 BlueTEC 4MATIC 2143 125 OM 651
GLK 250 BlueTEC 4MATIC 2143 120 OM 651
ML 250 BlueTEC 4MATIC 2143 150 OM 651
ML 350 BlueTEC 4MATIC, 2987 190 OM642 NAG2
GL 350 BlueTEC 4MATIC 2987 190 OM642 NAG2
S 250 CDI 2143 150 OM 651
S 300 BlueTEC Hybrid, S 300 h 2987 150 OM 651
S 350 BlueTEC, 2987 190 OM 642
S 350 d 2987 190 OM 642
S 350 BlueTEC 4MATIC 2987 190 OM 642
S 350 d 4MATIC 2987 190 OM 642
SLK 250 d, 2143 150 OM 651
SLC 250 d 2143 150 OM 651
C 220 CDI 2143 125 OM 651
C 250 CDI 2143 120, 150 OM 651
E 220 CDI 2143 120 OM 651
E 250 CDI 2143 125, 150 OM 651
E 200 CDI 2143 100 OM 651
E 220 CDI 2143 120, 125 OM 651
E 250 CDI 2143 150 OM 651
Sprinter 2143 95, 105, 120 OM 651
V- Klasse, Vito, Vito Tourer 1598 65, 84 OM 622
Vito, Vito Tourer 2143 100, 120, 140 OM 651

Die Erfolgsaussichten eines zivilrechtlichen Vorgehens gegen die Daimler AG halten wir in den soeben genannten Fällen für hoch, zumal die Manipulationen nicht in der Erwartung vorgenommen worden sein können, dass sie legal sind. Es handelt sich bei den streitigen Vorgängen um sehr komplexe und ausgeklügelte Softwareprogrammierungen, deren Aufdeckung wesentlich unwahrscheinlicher war als die von Volkswagen etablierte sog. „Umschaltlogik“ im sog. „VW-Abgasskandal“. Damit dürfte der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nur schwer zu entkräften sein.

Gerne übernehmen wir über unsere Themenseite diesel-kläger.de eine Prüfung der Erfolgsaussichten und beraten Sie gerne über die Zweckmäßigkeit des individuellen Vorgehens.  Auf Wunsch nehmen wir auch für Betroffene GLC- und GLK-Besitzer die rechtssichere Eintragung in das Klageregistrierung zu der Musterfeststellungsklage vor. Sprechen Sie uns gerne an.