Mercedes Abgasskandal – Landgericht Stuttgart verurteilt die Daimler AG mehrfach zu Schadensersatz

Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG am 17.01.2019 in gleich drei wegweisenden Entscheidungen (23 O 172/18, 23 O 178/18 und 23 O 180/18) zum Schadenersatz verurteilt. Nach Ansicht des Landgerichts ist – auch unabhängig von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt – eine Abschalteinrichtung unzulässig, wenn die Abgasrückführung und /oder die Abgasreinigung durch Harnstoff bei niedrigen Temperaturen von ca. unter 7° Celsius erheblich (über 45%) reduziert wird (sog. „Thermofenster“). Zwar habe Daimler eingewandt, dass die Abschalteinrichtung ab einer bestimmten – in Deutschland nicht unüblichen Außentemperatur – zum Motorschutz notwendig sei, um Schäden durch Ablagerungen (sog. „Versottung“) zu vermeiden. Die Daimler AG habe aber die Gründe für eine Abschalteinrichtung zum Motorschutz nicht hinreichend erklären können. Da aus Sicht des Landgerichts nicht ersichtlich ist, dass es Gründe – außer Kostengründe – dafür gebe, das Problem der Versottung mit anderen technischen Lösungen zu beheben, war die Verurteilung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung die logische Konsequenz.

Wenn also eine Software eine Außentemperatur erkennt, die bei normalen Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten ist, und die Abgasrückführung trotzdem erheblich reduziert wird, liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung mit entsprechender Schadenersatzpflicht des Herstellers vor.

Das Gericht wertet die oben beschriebenen sogenannten “Thermofenster” unseres Erachtens zu Recht als illegale Abschalteinrichtung. Es kann nicht sein, dass die Abgasrückführung und/oder die Abgasreinigung durch Harnstoff (wie Adblue) nur dann vollständig funktioniert, wenn das Fahrzeug in einem Labor unter „paradiesischen“ Umweltbedingungen von 23 °C getestet wird. Führt man sich vor Augen, dass in Deutschland die durchschnittliche Außentemperatur bei 8,5 °C liegt, dürften alle Mercedes-Modelle deutlich schmutziger sein als auf dem Papier angegeben. Dies mit Kostengründen zu rechtfertigen, kann nicht richtig sein. Wir halten die Argumentation mit Blick auf die erheblichen Preise für die Fahrzeuge und dem berechtigten Qualitätsanspruch des Autobauers für angreifbar.

In den Fällen, in denen das Kraftfahrbundesamt den Rückruf angeordnet hat, dürfte im Übrigen schon die Beschreibung der illegalen Abschalteinrichtung für eine Verurteilung reichen. Auch in den übrigen Fällen sollten betroffene Fahrzeugbesitzer ihre Ansprüche durch einen im Abgasskandal spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen.

Damit ist der Weg frei für Schadensersatz gegenüber der Daimler AG. Schließlich ist das Landgericht Stuttgart das „Heimatgericht“ der Daimler AG und kann in allen Fällen angerufen werden.

MÜLLER SEIDEL VOS Rechtsanwälte vertritt eine Vielzahl von Besitzern manipulierter Dieselfahrzeuge und führt erfolgreich Schadenersatzklagen gegen VW, Porsche Audi und Mercedes wegen des Abgasbetrugs. Zudem führt die Kanzlei Klagen für private und institutionelle Investoren gegen den VW-Konzern wegen pflichtwidrig unterlassener Kapitalmarktinformationen und ist an den Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig und dem OLG Stuttgart beteiligt. MÜLLER SEIDEL VOS Rechtsanwälte ist damit eine der führenden Kanzleien im Dieselskandal.